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AutorenbildMichael Baumann

Über Abendmahl, Social Distancing und Hygiene

Nun mögen wir Schweizer ja manchmal über die Deutschen lächeln: Was sind sie nicht obrigkeitsgläubig, haben für alles die zuständigen Stellen und Verantwortlichen und wissen immer ganz genau, wer was wo zu entscheiden hat. Die Schweizer dagegen sind ja so was von bodenständig und hier gilt: Eher machen, als zu lange palavern.

Dann allerdings kann auch das eine oder andere bei uns gehörig in die Hosen gehen. Zum Beispiel vor und über Ostern in Kirchen. Die Frage des Abendmahls in Zeiten des unsichtbaren Virus. Gewiss: Abgesagt war fast alles. Das hindert aber nicht findige Pfarrerinnen, Alternativen zu suchen. Vom Abendmahl in Erinnerung bis zum Abendmahl auf Youtube war alles zu finden. Anders in Deutschland: Da wurde zuerst debattiert, dann theologisiert und die Zuständigkeiten geprüft und darüber war dann Ostern vorbei. Vermutlich tagen die Superintendentinnen und Landeskirchenpräses immer noch in den Pfarrhäusern der Eifel. Aber wir sollten nicht zu schnell spötteln. Denn in der bundesdeutschen Diskussion kamen auch Schätze und krude Blüten zu Tage, die durchaus hilfreich sind und uns lehren können. Zum einen: Da grub ein Theologe, der das Abendmahl im Internet, über Skype, Facebook und Youtube befürworten wollte, die Leuenberger Konkordie aus. Die kennt hier fast niemand mehr, obwohl sie auf dem Leuenberg oberhalb des Waldenburgertals im Baselbiet in den 70er Jahren unterzeichnet wurde. Sie war quasi das Friedensdokument zwischen Lutheranern und Reformierten. Seither dürfen lutheranische Pfarrer auch in der Schweiz gewählt werden. Gebildete unter den Verächtern der Religion wissen, dass der Streit zwischen Zwingli und Luther seit 1529 nicht behoben wurde und sich ja am Abendmahl entzündete. Es ging um die Einsetzungsworte und um die Frage, wie denn Christus im Abendmahl gegenwärtig ist. Das sind komplexe Fragen und die Positionen waren schon damals nicht wirklich für jedermann verständlich.

Nun grub also in diesen Tagen jemand diese Erklärung aus und folgerte messerschaft: Wenn Christus, wie die Zürcher ja behaupteten, im Himmel ist, dann hat schon Zwingli nicht von einer Social Distance, wohl aber von einer God's Distance gesprochen. Und wenn selbst der Herr Jesus im Himmel ist und nicht im Brot, dann kann man auch über Internet und Fernsehen Abendmahl feiern. Tja.

Die Rechnung ging natürlich nicht auf. Weder haben Zwingli noch Luther an das Internet gedacht, noch daran, dass man das Abendmahl ohne Gemeinde feiern könne. Wenige Jahre später - nach Zwinglis Tod - einigten sich Bullinger und Calvin 1549 im Consensus Tigurinus sogar über das Abendmahl und sprachen ihm - gefeiert im Gottesdienst - eine besondere heilsame Wirkung und Möglichkeit zu. Zum Beispiel die Möglichkeit, den Glauben zu wecken und an Christus teilzuhaben. Man näherte sich damals schon Luther wieder an - doch war der leider auch schon tot.

Nun kann man also mit Zwinglis Position kaum ein Abendmahl im Internet befürworten. So vor dem Bildschirm, dem Fernseher oder mit dem Händy in der Hand ist das auch komisch. Auch taugt die Vereinfachung nicht, es gehe doch "nur" um die Erinnerung oder das "Symbol". Es geht nie nur um Erinnerung. Es geht im Abendmahl immerhin um Jesu Leib und Leben, um das Heil für uns Menschen und um den Tod Christi, des Gottessohnes am Kreuz.

Da wäre es eigentlich völlig klar, dass das mehr und anderes ist, als ein Klick im Internet, eine Art "AGB" zwischen Gott und Mensch, das digital abzuhandeln ist.

Aber das ist irgendwie vergessen gegangen. Dabei war noch dem jungen Luther völlig klar, dass mit dem Abendmahl nicht zu spassen ist. Wehe, einem jungen Priester geschah bei der Messe ein Missgeschickt, wehe vom Wein wurde etwas verschüttet! Man hat im späten Mittelalter mit dem Wirken Gottes und des Heiligen Geistes gerechnet. Heute rechnen wir bloss noch mit dem unsichtbaren Virus. Wir mögen über die alten Theologen lächeln. Doch wie gehen wir mit dem Virus um?

Da begegnen sich zum Beispiel unterschiedliche Personen beim Einkaufen. Die einen in einer Art C-Vollschutz aus dem OBI, mit Handschuhen, Masken, komplett eingehüllt und mit panischer Distanz vor dem Gemüsegestell. Wehe, es kommt ihnen jemand zu nahe! Sie weichen allen aus. Dass sie ihre Hörnli-Packungen und die Gurken ja dann doch nach Hause schleppen wird vermutlich verdrängt. Oder sie gehören zu denen, die den Einkauf zuerst sterilisieren oder drei Wochen tiefgefrieren.

Die andern scheren sich keinen Deut darum und husten und niesen fröhlich in die Welt. Dazwischen das Personal von Migros, Coop und Landi, die allesamt mit stoischer Ruhe die Gestelle auffüllen und die Kassen bedienen, dieweil die Kunden sich aufführen, als wäre der Migros-Rosenberg ein Ebola-Zentrum in Kongo-Kinshasa. Verrückte Welt.

Dazu: das Unsichtbare war offenbar immer schon heikel. Wie sollen wir damit umgehen? Beim Virus greifen wir literweise zu Desinfektionsmittel und putzen und schrubben, als ginge es um das Heil der Seelen im Fegefeuer. Beim Abendmahl lassen wir jede sinnliche Körperlichkeit fahren und finden, eine schale Erinnerung, ein bisschen Geschichte oder ein Bild genügen. Das ist schräg. Es geht beim Abendmahl nicht um Pädagogik, nicht um das Betrachten oder Sich-Erinnern, es geht um das Teilhaben an Jesu letztem Mahl.

Viel einfacher wäre es gewesen, man hätte auch durch die Kirchenleitung den Gläubigen geraten, zuhause das Abendmahl zu feiern. Mit Brot und Wein oder Saft. Mit den Einsetzungsworten und einem Gebet. Im kleinen Kreis und still. Statt darüber zu faseln, ob man dazu nun Skype, ein Streaming oder eine Internetplattform braucht.

Bald kommt Pfingsten, das Fest des heiligen Geistes. Auch dann sind die Kirchen noch zu oder nur für einzelne offen. Darum: Feiert an Pfingsten das Abendmahl zuhause, zu zweit, zu dritt, zu viert oder fünft! Feiert es und denkt daran: Gottes Tat und Handeln gilt für uns. Für alle, jetzt und immerdar.


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