Kapitel III bis IV
Welt am Nullpunkt: Kapitel III
1. Pax Romana (S. 150ff.): Über kein Jhdt. weiß man soviel, wie über die Zeit, in der Jesus geboren wurde. In der Tat wurden bis heute entscheidende Erfindungen durch die Römer gemacht: Beton, Fensterglas, Brückenbautechniken, Straßen- und Schiffskanalbauten etc. Von Spanien bis ins heutige Indien reichte die Einflusssphäre der Römer. [Wäre die Entwicklung linear weiter gegangen, so einst einer meiner Professoren in Fribourg, wären um 600 Flugzeuge geflogen und der Mensch auf dem Mond gelandet, MB]. Sogar Tageszeitungen gab es zur Zeit der Cäsaren bereits und die Erfindung des Buches fällt in diese Zeit. Andererseits sind die Römer Pragmatiker: Was gefördert wird, steht stets im Dienst der Reichsverwaltung und des Machterhalts. Es gibt keine Forschung und Entwicklung nur für sich, der Wahrheit zuliebe, so etwas wie Grundlagenforschung.
2. Augustus: Glanz und Fluch des Hauses Cäsar (S. 154ff.): Augustus wird als ambivalenter Herrscher vorgestellt, der einerseits tugendhaft und sich als Idealherrscher darstellt, andererseits gottgleich und völlig unkontrolliert herrscht. Seine Nachfolger fallen deutlich von ihm ab und Rom korrumpiert zu einer reinen Tyrannei der wenigen Mächtigen.
3. Vergil & Co. (S. 158ff.): Rom leistet sich quasi im Dienste der Staatsräson einige Dichter, die bis heute bekannt und als klassische Literatur verehrt werden: Horaz, Vergil, Ovid. Einerseits galten diese zu Roms Zeiten als Hofdichter… andererseits fielen sie selbst bei den Machthabern in teilweise undurchsichtigen Machenschaften in Ungnade (Ovid). Und interessanterweise finden sich bei Vergil Passagen, die sehr an die Hoffnungen bei Jesaja erinnern.
4. Ovid: Verwandlungen aus Liebe (S. 162ff.): Ovids zwei große Werke sind die „Kunst des Liebens“ und die „Metamorphosen“. Doch der Liebesbegriff Ovids ist bestenfalls als Kampf der Geschlechter auf höherer Ebene zu verstehen. Andererseits wird er durch die Sammlung der Metamorphosen („Verwandlungen“) zu einem der Bewahrer antiken Erbes und der klassischen Mythen, die auch im christlichen Mittelalter zum Bildungskanon gehören.
5. Julia: Die verlorene Tochter (S. 166ff.): Augustus und seine Frau Livia haben keinen leiblichen Sohn. Die gemeinsame Tochter Julia allerdings will sich dem betont tugendhaften Gehabe der Mutter Livia nicht fügen und rebelliert. Augustus schickt sie in die Verbannung; der Nachfolgekaiser Tiberius lässt Julia schließlich verhungern. Nach der Kaisergattin Livia folgen etliche Kaiserfrauen, die mitnichten in das römische Tugendbild passen.
6. Satyricon (S. 169ff.): Das Sittengmälde „Satyricon“ des Schriftsteller Titus Petronius offenbart schonungslos die Dekadenz, die im Rom der Kaiserzeit zu herrschen begann: Genusssucht, Sexskandale, Luxusprassereien etc. halten in der verschwinden kleinen, aber sehr reichen Oberschicht Einzug.
7. Pornokratie (S. 171ff.): Der Sklavenhandel und die schier unermesslichen Reichtümer der römischen Oberschicht führen zu einem perversen Sexualverhalten, das in keiner Weise mit den einst hoch gehaltenen römischen Tugenden der republikanischen Zeit vergleichbar waren. Nicht nur wurden Sklaven sexuell ausgebeutet und missbraucht, da sie ja nicht als Menschen sondern i.d.Rgl. als Gegenstände ohne eigenen Willen galten. Besonders verstörend waren die euthanasistischen Formen von Geburtenkontrolle: Mädchen, behinderte Kinder, ungewollte Geburten wurden ausgesetzt, manchmal sofort nach der Geburt getötet oder einfach verhungern gelassen. In der Tat ändern sich gesellschaftliche Ethik und Rechtsprechung erst mit den christlichen Kaisern ab Konstantin d.Gr.
8. Brot und Spiele (S. 175ff.): Ähnlich dekadent verfuhr man mit den meist öffentlichen Belustigungen und Zirkusspielen: Wagenrennen, tödliche Kampfspiele und Hinrichtungen, zotige Pantomimen und Theateraufführungen boten den Einwohnern Roms, aber auch der grossen römischen Städte, Abwechslung und Belustigung. Der unablässige Strom von Sklaven, zum Tode Verurteilten und politischen Gegnern der Machthaber war dafür Grundlage.
a. [Andererseits: Vf. verschweigt, dass es in Rom trotz 1 Mio Einwohnern an und für sich keine Polizei gab… die öffentliche Sicherheit wurde durch die dem Kaiser und den Senatoren direkt unterstellten Militärs gewährleistet und bei jedem kleinsten Übergriff, jeder Tätlichkeit und jedem Verbrechen drohte sofort der Zirkus. Insofern ist vielleicht für Rom weniger von einem schändlichen Terrorsystem als eher von einer typischen Diktatur einer kleinen Junta zu reden. Und solche tauchen in der Geschichte immer wieder auf: Im Kaiserlichen China, im Frankreich der Revolution; im zaristischen Russland und später in der sozialistischen Diktatur unter Stalin; im NS-Staat und in den postkolonialen Nachfolgestaaten; in der äthiopischen Diktatur und im Kambodscha Pol Pots, etc.]
9. Spartakus (S. 179ff.): Periodisch entladen sich Widerstand und Protest in Aufständen, die Sklaven anzetteln. Sie enden zwangsläufig fast immer in Massenhinrichtungen, wo u.a. die ersten Kreuzigungen auftauchen. Die Hinrichtung am Kreuz gilt als römische Innovation, die besonders grausam, langanhaltend, zuverlässig und v.a. abschreckend sein soll, da die Getöteten meist am Kreuz hängen gelassen wurden, bis sie zerfallen oder von Vögeln und Tieren gefressen wurden.
10. Die römische Armee (S. 183ff.): Grundlage für den Aufstieg Roms waren seine Legionen. Im Gegensatz zu anderen antiken Reichen verzichteten die römischen Militärs auf Massenheere in der Schlacht und ordneten kleinere Gruppen von mobilen und leichten Soldaten auf dem Schlachtfeld an. Legionen, Kohorten, Gruppen bildeten mittels eigener Kommunikationsformen eine Militärmaschinerie, die allen bekannten anderen Heerführern überlegen waren. Rom wurde zwar schnell kopiert, doch war ab dem 1. Jhdt. v.Chr. die Kombination von Truppen, Transport, Kommunikation und einheitlichem Vorgehen allen anderen Völkern und Reichen lange überlegen.
11. Jerusalem und Rom (S. 186.): Schon lange vor Jesus waren die Juden in Kontakt mit den Römern getreten. Erstens hatten sie sich schon im östlichen Mittelmeer von Ägypten bis in die heutige Türkei verbreitet und dank der Epoche des Hellenismus von Kultur und Bildung profitiert, ohne ihr eigenes Profil zu verlieren. Zweitens sympathisierten die Makkabäer gut 100 bis 150 Jahre vor Christus mit dem aufsteigenden römischen Staat. Es gipfelt im Eroberungszug des römischen Feldherrn Pompeius 63 v.Chr. nach Jerusalem, der von befeindeten jüdischen Gruppen zu Hilfe gerufen wurde. Pompeius schändet den Tempel in Jerusalem, plündert ihn und deportiert einen Teil der Bevölkerung von Jerusalem. Seither ist auch das alte Israel nunmehr ein Schattenstaat von Roms Gnaden.
12. Herodes (S. 188ff.): Herodes d.Gr. ist eine sehr ambivalente Figur. Einerseits eifert er August nach und will dank Roms Hilfe ein Israel von der Größe des davidischen Reiches wieder herstellen. Andererseits ist er im jüdischen Volk verhasst, verfügt nicht über die „richtige“ jüdische Herkunft, sondern ist vermutlich halb Araber (durch seine Mutter), halb Edomiter (Idumäer über seinen Vater), die ihre Herkunft auf Esau zurück führten. Trotz seiner prunkhaften Ausbautätigkeit für den Tempel in Jerusalem haftet ihm Zeit seines Lebens nicht nur der Makel an, ein „Halbkönig“ dank er Römer zu sein, sondern eben auch die „falsche“ jüdische Herkunft. Er verfügt aber über ein überaus starkes Machtbewusst sein. Vf. zeichnet ihn zunehmend als geisteskrank, cholerisch bis jähzornig, blutrünstig. Ob der Kindermord in Bethlehem auf ihn zurück geht, ist unklar, aber nicht unmöglich. Etliche eigene Söhne und nahestehende Personen lässt er töten, was sogar August den Cäsar irritiert.
a. [Jenseits der sprichwörtlichen Grausamkeit Herodes‘ ist seine Figur allerdings schwierig zu interpretieren. Denn einmal stabilisiert er tatsächlich Palästina in den Jahren vor Jesu Geburt und führt zwar nicht zu einer völligen, aber doch teilweisen Unabhängigkeit von Rom. Niemals mehr sollte die Gegend in derselben Grösse diese Unabhängigkeit erlangen. Er wurde von Rom als rex socius anerkannt, was vielleicht am ehesten mit „Kleiner Nebenkönig“ übersetzt werden kann. Andere „Nebenkönigtümer“ hat Rom nie geduldet und vernichtet. Vielleicht war gerade seine fehlende jüdische Herkunft für ihn die Chance, als typisch späthellenistischer Machthaber einen Landstrich zu einen, der kaum als zu bändigen galt.]
Vf. schickt einen interessanten geschichtstheologischen Hinweis voraus, indem er den Kirchenvater Athanasius aus seinem Werk „Über die Menschwerdung des Logos“ zitiert. Dort heißt es: „Das Menschengeschlecht wäre verloren gewesen, wenn nicht der Herr und Heiland aller, der Sohn Gottes, gekommen wäre, um dem Tode ein Ende zu machen.“
Somit ist die Geburt Jesu nicht erst im Nachhinein zu deuten, sondern schon im voraus als zielgerichtetes Eingreifen Gottes gedeutet.
1. Galiläa (S. 200ff.): Das nähere Umfeld Jesu in Galiläa wird als konservativ und jüdisch-traditionell geschildert. Im Unterschied zur Bevölkerung Jerusalems und der dort herrschenden Tempelschicht ist die Bevölkerung Galiläas auch gegenüber jüdischer Anpasserei kritisch. Pharisäische Gelehrsamkeit, die Hoffnung auf Erlösung und die Erscheinung des Messias, sowie eine grundsätzliche Frömmigkeit zeichnen den Landstrich aus. Das Dorf Nazareth kommt nur in der Bibel vor – einleuchtend ist die Herleitung vom hebr. Wort „Nezer“ für Spross, was der klassischen Jesaja-Weissagung nahe liegt (Jes 4,2; 11,10).
2. Gabri-El (S. 204ff.): Im Lk-Ev erscheint der Engel Gabriel und kündigt Maria die Geburt an (Lk 1,26ff.). Maria hat interessanterweise in den Evangelien keine bekannte Herkunft. Sie wird als junge Frau, aber durchaus im Heiratsalter portraitiert. Andererseits scheint sie mit Elisabeth, der Ehefrau des Jerusalemer Priesters Zacharias, Mutter Johannes des Täufers, verwandt zu sein. Elisabeth führt sich zurück bis zum ersten Hohepriester Aaron, dem Bruder Moses zurück. Zacharias hingegen gehörte zur Priesterklasse Abija, die zu den unwichtigsten aller 24 Priesterklassen zählt. Dass Maria und Josef verlobt, aber nicht verheiratet waren, mag verschiedene Gründe haben. Vielleicht war Josef bereits verwitwet; Hochzeiten waren teuer und aufwändig; rechtlich galt die Verlobung bereits als bindend. Die Erscheinung des Engels wird sicher richtiggehend als machtvolles Einschreiten Gottes erklärt. Engel sind Manifestationen Gottes, nicht nur die modern geglaubten Helfergestalten. Vf. vereist auf das Buch Henoch, wo Gabriel als militärischer Engel geschildert wird. Was Gabriel verkündet, ist Gottes Wille und Gebot, nicht ein freundschaftlicher Rat oder eine nette religiöse Begegnung.
a. [ An dieses Verständnis erinnern zB die noch fragmentarisch erhaltene Engels-Relieffigur im Chor der Wiesendanger Kirche oberhalb des Allerheiligsten sowie die gezeichneten Engel mit einem gut sichtbaren Kreuz oberhalb ihres Helmes. ]
3. Jungfrau Maria (S. 209ff.): Witzigerweise verweist Vf. auf die Parallele vieler heidnischer Göttersagen, wo es zwischen Göttern und Menschen wiederholt zu Schwangerschaften und Geburten kommt. Keinem antiken Hörer wäre daran etwas aufgefallen, ja sowohl römische Ritter, Adelsgeschlechter und Kaiser sowieso führten sich auf Halbgötter oder Götter zurück. Dies war im Prinzip Standard. Neu am Bericht der Evangelien war, dass Lk ausdrücklich darauf hinweist, dass Gottes Eingreifen (in Parallele zu Abraham etc.) zu einer Schwangerschaft der Jungfrau Marias führt. Bis in die Neuzeit stellte dieser theologische Topos auch kein Problem dar. Seither wird darüber gestritten („fromme Fiktion oder harter Fakt?“). Sie stellt noch mehr als die leibliche Auferstehung Christi ein pièce de résistance dar. Vf. plädiert für ein glaubensmäßiges Fürwahrhalten, weil dies dem Sektenglauben widersteht, dass Jesus bloß ein besonders tugendhafter, von Gott nach seinem Tod anerkannten, vielleicht gar geretteten Menschen handelt.
a. [ Das ist ein interessanter Hinweis. In der Forschung handelt es sich um den sog. Arianismus – zurückgehend auf den antiken Kirchenlehrer Arius, der verkürzt gesagt Jesus als von Gott ausgezeichneten Menschen lehrte. In der Neuzeit ist der Arianismus äusserst populär geworden, vermutlich trifft er die Überzeugung von vielen Christen. Allerdings stellt das nicht die Meinung der Evangelien dar. Insofern zielt Vf. eine Linie mit der oben gemachten geschichtstheologischen Verbindung zu Athanasius, dass die Geburt Jesu Christi als bewusstes, sog. intentionales Handeln Gottes verstanden wird – zumindest aus Sicht der Christen. Dem entspricht auch der Hinweis auf Thomas von Aquin und seinen Begriff des Ur-Wunders. Ob es dann in der Tat wirklich darum geht, dass unsere „Vernunft vor einer höheren Vernunft auf die Knie geht“ (S. 210) ist eine andere Frage. M.E. verwechselt Vf. hier Analogie und erzählte Sache. Dass prinzipiell Gott physikalische Gesetze ausser Kraft setzen kann, gehört zum einem theistischen Gottesbegriff. Ob er dies auch tun muss, ist eine andere Frage. Ob Lukas dies bei der Geburtsgeschichte voraussetzt oder nicht vielmehr eben in geschichtstheologischer Analogie spricht, ist m.E. somit nicht geklärt.]
4. Josef (S. 213ff.): Josef erinnert mit seinem Namen an den Lieblingssohn Jakobs, der als einziger keinen israelitischen Stamm begründete. Mit Josef und Jesus beginnt eine neue israelitische Geschichte. Gleichzeitig wird Josef im NT als betont bodenständig und konservativ geschildert. Mögl. war er bereits verheiratet gewesen und brachte Kinder aus erster Ehe in die neue Verbindung mit Maria ein. Oder aber es ist einfach davon auszugehen, dass es neben Jesus eben weitere Geschwister gab. Namentlich bekannt sind Jakobus (der sog. Herrenbruder), Judas (dito), Josef und Simon. Länger geht Vf. dann auf die Reise nach Bethlehem ein, weil es unklar ist, wieso und warum ein Zimmermann aus Nazareth sich plötzlich in der Gegend des Toten Meeres aufhalten sollte, dazu mit einer schwangeren Frau. Da für das exakte Datum zwischen 4 und 6 v.Chr. keine Volkszählung bekannt ist, die wirklich direkt vom Kaiser ausgegangen war, wäre an eine „kleinere Volkszählung“ oder einen Zensus durch Herodes d.Gr. zu denken. Da dieser erstens für seine Ruhmsucht und seine Bauprojekte und zweitens um sich als Rom ebenbürtiger König zu erweisen, möglichst viele Steuern von seiner untergebenen Bevölkerung abpressen wollte, könnte es sich quasi um eine israelitische Volkszählung gehandelt haben. Oder es war eine der vielen lokalen Zählungen, die im indirekten Auftrag des Kaisers immer wieder in verschiedenen Regionen durchgeführt wurde, um Stämme und Volksteile unter Kontrolle zu halten.
5. Jerusalem (S. 221ff.): Herodes scheint in der Zeit vor Christi Geburt in einen zunehmend paranoiden Zustand gefallen zu sein: Er fürchtet sich zu Recht vor Häschern und Widersachern. Zum Schluss riskiert er einen Krieg mit dem aufsteigenden und reichen Volk der Nabatäer im Südosten.
6. Bethlehem (S. 223ff.): Bethlehem gilt als größtmöglicher Kontrast zur Tempelstadt Jerusalems. Es ist der Ort, wo Rahel, die Lieblingsfrau von Jakob, begraben wurde. Im Gegensatz zur frommen Legendenbildung vom fehlenden Platz in einer Herberge (solche gab es an und für sich kaum), denn man nächtigte richtigerweise bei Verwandten und Bekannten, verweist Vf. auf die Nähe zu den Hirten: Christus muss in einem für die Hirten nahe gelegenen Schopf oder Unterstand zur Welt kommen, damit er für sie auch erreichbar und zugänglich ist. Denn kein Berufsstand wird in der Bibel derart positiv gezeichnet, wie die Hirten. Ja Gott selbst gilt als Hirte (Ps 23, worauf Vf. gar nicht verweist).
7. Die Weisen (S. 227ff.): Die legendären Könige aus dem Morgenland waren vielleicht Astrologen, Astronomen, oder andere Weisen. Ihre Herkunft könnte Jemen gewesen sein oder aber sie waren Parther aus dem ehemaligen persischen Grossreich. Dort waren immer noch Juden ansässig. Gewiss kannte man in Babylon die atl. Schriften. Die Anwesenheit von fremden Gelehrten, die aufgrund alter Zeugnisse die Geburt eines neuen Königs erkunden wollten, musste in Jerusalem und besonders bei Herodes d.Gr. (so er noch lebte) Nervosität hervorgerufen haben. Für den berühmten Stern von Bethlehem kommt laut Vf. nicht nur die Konjunktion von Jupiter und Saturn in dieser Zeit in Frage, sondern auch eine kurz danach stattfindende Supernova, die zumindest in asiatischen Quellen ihren Niederhall gefunden hat.
8. Ägypten, Flucht, Exil und Rückkehr (S. 233ff.): Nach und während der Wirren um die Nachfolge und den Tod Herodes d.Gr. flohen offenbar viele Juden aus Israel nach Ägypten. Dort gab es seit der Zeit nach Alexander d.Gr. eine jüdische Kolonie. In Alexandria lehrten gebildete Juden, unter ihnen Philo. Sein Bruder gehörte zu den reichsten Kaufleuten und war maßgeblich am Ausbau des Jerusalemer Tempels beteiligt. Doch nicht alle hatten die Möglichkeit, bis nach Ägypten zu fliehen. Einzelne zogen sich in die grenznahen Wüstenregionen zurück. Jüdische religiöse Gruppen, darunter die Essener u.a., bildeten eigentliche abgeschlossene Dorfgemeinschaften ohne Kontakt zur Außenwelt. Aber auch in Ägypten sind die Juden nicht vor Nachstellungen sicher, es ereignen sich Massaker. Ob es sich beim Bethlehemitischen Kindermord um eine Gräueltat Herodes d.Gr. handelte oder um ein ähnliches Massaker der Zeit, ist schwierig fest zu stellen. Jedenfalls stirbt der verhasste König Herodes, doch unter seinen Nachfolgern wird es nicht ruhiger.
9. Erben des Herodes (S. 237ff.): Herodes Sohn Archelaos soll dessen Nachfolge antreten. Doch bereits vor dessen Machtantritt kommt es zu Protesten, Archelaos lässt die Aufständischen hinrichten – noch ohne Machtbefugnis. Dies schadet seiner Reputation als Machthaber von Roms Gnaden. Augustus lässt ihn fallen und teilt das jüdische Reich unter den Söhnen Herodes auf. Doch die Gegend lässt sich nicht beruhigen. U.a. stürmt ein jüdischer Aufständischer namens Judas die galiläische Hauptstadt Sepphoris mit seinen Anhängern. Nur mit römischer Hilfe kann dies zurück geschlagen werden; der römische Feldherr Varus wird später unrühmlich im Teutoburger Wald gegen den Germanenanführer Arminius unterliegen… (dafür haben diese dessen Frau Thusnelda gefangen). Jedenfalls führt der Aufstand dazu, dass Provinz Judäa nun direkt Rom unterstellt wird und Archelaos in die Verbannung geschickt wird. Pontius Pilatus wird der berühmteste Statthalter Roms sein. Galiläa und das Dorf Nazareth sind der letzte unabhängig gebliebene Teil Israels – nicht untypisch, dass die jesuanische Kritik aus dieser Gegend kommt.
10. Nazareth (S. 242ff.): Das ländliche Nazareth wurde der Ort, wo Tradition und religiöses Wissen bewahrt wurden. Jesus wurde vermutlich nicht nur von seiner Familie, sondern auch vom Umfeld erzogen, darauf weisen die Tradition der Pilgerreisen und vom zwölfjährigen Jesus im Tempel hin. Andererseits protestierten immer wie mehr Gruppen gegen die religiöse und politische Unterdrückung in Jerusalem. Einerseits bildete die Gruppe der Sadduzäer die Tempelhierarchie und profitierte vom Schutz der Römer. Die Sadduzäer waren aber nicht nur Profiteure, sondern galten jüdischerseits als wenig fromm, als Parasiten des eigenen Volkes und vor allem lehnten sie jede Jenseitshoffnung ab (Hannas Sippe). Dagegen traten theologischerweise die Pharisäer als Schriftgelehrte an. Aber auch die weiteren Gruppen (Zeloten, Sikarier) protestierten. Zudem entlud sich der alte Zwist mit der Gruppe der Samaritanern, indem diese Tierknochen im Tempelbezirk ausstreuten und somit den Tempelbetrieb sabotierten. Wieviel von diesen Geschehnissen in Nazareth bekannt war, können wir aber nicht mehr ermitteln.
11. Jesus als junger Erwachsener (S. 246ff.): Auch über Jesu Zeit als junger Erwachsener ist nicht viel bekannt. Gewiss musste er im elterlichen Betrieb mithelfen. Klar dürfte sein, dass er lesen und schreiben konnte, auch Griechisch verstand und eine überdurchschnittliche religiöse Bildung aufwies. Mit der benachbarten Stadt Sepphoris wurde Handel getrieben und man kam in Kontakt mit der Welt. Man darf sich also die Zeit in Nazareth nicht als völlig weltabgeschieden vorstellen. Zudem kreuzten verschiedene Handelswege die Region. Nach dem Tod des Augustus wurde Tiberius dessen Nachfolger. Herodes Antipas, der bislang eher unbedeutende Tetrarch gründete darauf seine neue Hauptstadt Tiberias etwa 30km von Nazareth entfernt am See Genezareth (heute Tverjah). Der dabei überbaute jüdische Friedhof von Hammat führte zu großen Konflikten mit religiös frommen jüdischen Kreisen, was an Jesus nicht spurlos vorbei gegangen sein dürfte.
12. Johannes der Täufer (S. 253ff.): Johannes, Sohn der Elisabeth und des Zacharias, entwickelt sich zu einem religiösen Asketen und Profi. Anders aber als die Gruppen, die sich in die Wüste zurück ziehen oder nur unter ihresgleichen bleiben, beginnt Johannes zu predigen. Und er führt den Brauch der reinigenden Taufe weiter, indem er die Zuhörenden zur Umkehr aufruft, zu einem radikalen Neubeginn und diese zum Zeichen im Fluss Jordan tauft (statt in einem jüdischen Reinigungsbecken). Er verbindet die Symbolkraft des Flusses Jordan mit dem Aufruf zu radikaler Neubesinnung auf Gott. Anders als die Essener oder Splittergruppen verlangt er von seinen Nachfolgern keine Askese, obwohl er selbst als solcher daher kommt. Und anders als die politischen Prediger verlangt Johannes nicht das Abschütteln der römischen Herrschaft, sondern ethische Veränderung und völlige Hingabe an Gottes Willen. Er war so eigentlich ein neuer prophetischer Prediger.
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