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  • AutorenbildMichael Baumann

Zu Gründonnerstag: Über Wachen, Schlafen, Beten

Die Beschreibung im Markusevangelium ist interessant: Es kommen darin drei Tätigkeiten mehrfach vor, nämlich wachen, schlafen und beten.

Zuerst fällt ja auf, dass ganz genau beschrieben wird, wo sich Jesus und die Jünger nach dem letzten gemeinsamen Essen aufhalten: Im Garten Gethsemani. Zwar wissen wir nicht so genau, wo dieser sich befand, aber jedenfalls muss es sich um einen Ort ausserhalb der Stadtmauern von Jerusalem gehandelt haben. Und dieser Ort wurde nicht vergessen, sondern man hat sich noch Jahr nach Jesus daran erinnert. Was berichtet wird, ist in an einem wirklichen Ort geschehen. Es ist keine Erfindung, es geht hier nicht um Fake-News, sondern um Tatsachen.

Zweitens: Drei Jünger werden mit Namen erwähnt. Es sind das Petrus, Jakobus und Johannes. Es sind allesamt besondere Personen mit besonderen Aufgaben. Petrus, quasi Jesu Stellvertreter, der vor kurzem während dem letzten Mahl gegenüber Jesus energisch betonte, gar nie von seiner Seite weichen zu wollen. Derselbe Petrus, der kurz darauf Jesus verleugnen wird.

Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, der trotz grosser Nähe zum Meister doch im Angesicht der Gewalt und Brutalität der römischen Soldateska scheitert.

Und Jakobus, der Bruder von Jesus, über den wir wenig wissen, der aber doch als Ältester gegenüber seinem kleinen Bruder Verantwortung hätte übernehmen können. Wäre er denn wach geblieben. Wären sie eins gewesen. Wären und wären.

Jesus nimmt die drei mit sich auf die Seite und möchte beten, währenddem die Jünger Wache halten und ihrem Meister beistehen sollen. Doch bereits beim ersten Gebet schlafen die Jünger ein. Die Szene könnte kaum dramatischer sein: Da Jesus, der Gott als Vater anspricht - Abba - und ihn bittet, doch womöglich den schweren Kelch an ihm vorbei ziehen zu lassen. Auf der andern Seite die Jünger, die ganz offensichtlich sich der Situation überhaupt nicht bewusst sind und schlichtweg nach opulentem Mahl einschlafen. Da das Ringen um die nackte Existenz - hier die leibgewordene Ignoranz. Schon dies erinnert brutal an die Gegenwart: Auf der einen Seite Länder und Regionen, die um das Leben ihrer Bürger ringen - auf der andern Seite Zeitgenossen, die sich ob ihrer geplatzten Kreuzfahrt grämen.

Kurz darauf schilt Jesus stellvertretend Simon: Du konntest nicht eine Stunde wachen? Siehe zu, dass du nicht in Versuchung geführt wirst.

Das Wort Versuchung - dasselbe wie im Unser Vater-Gebet - hat im Deutschen aber einen schwierigen Nebengeschmack. Ihm haftet etwas Heikles an, man denkt an Sünde, moralische Verfehlung oder an die Versuchung durch den Teufel. Versuchung meint aber eigentlich zuerst Probe: Erprobung, Prüfung. "Siehe zu, Petrus, dass du nicht geprüft wirst!", sagt Jesus zu seinem wichtigsten Jünger. Er sagt es zu dem, der alsbald in den Prüfungen straucheln wird und sich in mannigfaltige Lügen und Verirrungen stürzt. Wachen und Beten damit man nicht geprüft wird. Oder umgekehrt: Jesu Ratschlag wäre, der Prüfung mit Wachen und Beten zu begegnen.

Die Jünger aber schlagen alle Warnungen in den Wind. Und Jesus resigniert, der Evangelist stellt lakonisch fest, dass den Gefährten Jesu die Augen schwer geworden sind und sie nicht wussten, was sie ihrem Meister zu antworten hätten. Unwissenheit und Müdigkeit. Man könnte auch sagen: Ignoranz und Selbstbezogenheit. Nichts anderes haben viele Länder und Regierungen in den letzten Wochen und Monaten an den Tag gelegt, bis man sich der wahren Ausmasse der gegenwärtigen Krise bewusst wurde. Dabei wäre die Warnung Jesu im Garten Gethsemane so klar wie wahr: Sehet zu, dass ihr nicht geprüft werdet! Denn bei einer wahren Prüfung ist der Ausgang ungewiss.

Und noch einmal kommt Jesus zurück und findet die Jünger wiederum schlafend. Man würde jetzt dramatisch erwarten, dass der Meister die ganz offensichtlich untauglichen Schüler straft. Doch es tritt geradewegs das Gegenteil ein. Jesus ist nach dreimaligem Gebet mit Gott und sich im Reinen. Wir wissen nicht, was geschehen ist. Es ist ein Geheimnis. Die Kraft, die nun Jesus ausstrahlt ist nicht mehr von dieser Welt. An und für sich greift diese Geschichte nun schon auf Ostern vor: Der, der zurück kommt ist ein anderer. Angehörige erzählen das manchmal von ihren Liebsten, die bei schwerer Krankheit plötzlich gelassen und getragen wirken, die einen gar heiter trotz bevorstehendem Tod. Jesus strahlt diese Kraft aus und heisst die Jünger weiter schlafen. Ruht euch aus! Und erst anschliessend: Steht auf, lasst uns gehen!

Trotz anstehender Katastrophe und der Auslieferung des Gottessohnes ist nicht Eile angebracht, sondern Ruhe und Überlegung. Wer haudert, denkt nicht. Wer rennt, stolpert. Wer eilig sein will, geht. Das Feuerwehrsprichwort behält auch hier seine Wahrheit.

Im Garten Gethsemane ist alles weitere schon entschieden: Die Jünger in ihrer schwachen Menschlichkeit wirken hilflos und dennoch von Christus geliebt und begleitet. Und ihr Meister strahlt nicht nur eine stoische Ruhe aus, sondern sein dreimaliges Gebet berichtet von einem ungeheuren inneren Ringen und Kampf. Selbst der Gottessohn hat sein Schicksal nicht einfach akzeptiert, sondern eine Nacht lang gerungen.


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