Es brechen sich die Wellen der Geschichte
Am Strande der Unendlichkeit
Die Brandung des Lebens trägt sie eine Weile,
Zerschmettert sie dann an den Felsen der Ewigkeit.
Nur ganz im Hintergrund alles Geschehens
Brennt die ewige Flamme.
Die Flamme des Lebens, der Liebe, des Gottes.
Dieses wunderbare Gedicht habe ich handschriftlich von einer ganz lieben, hochbetagten aber hellwachen Wiesendangerin erhalten. Es stammt aus der Feder ihres Vaters. Kurz vor dem Ausbruch des zweiten Weltkriegs gelang es ihm, sich und seine Familie nach Übersee zu retten. Sie mussten in Süddeutschland alles zurücklassen, begannen jenseits des Atlantiks neu.
Und wie die Wege des Lebens verschlungen sind, führten sie die eine Tochter wieder nach Europa zurück. Ich weiss nicht, wann das Gedicht, das völlig formvollendet ist, geschrieben wurde.
Das Gedicht spielt mit dem Bild des Wassers, des Meeres. Das Meer wirft Welle um Welle an den Strand, Brandung die nie endet. Geschichte und Geschehen der Welt, nicht des Menschen.
Der Lauf der Welt ist die Brandung. Menschen tun und handeln - und sind doch kaum die, die den Wellenlauf bestimmen. Wir sind Getriebene, der Urkraft ausgeliefert. Wenig braucht es, und wir kentern, ertrinken, werden an den Felsen der Ewigkeit geworfen, vernichtet. Leben und Natur, die Welt scheint zuweilen grausam, ist unberechenbar. Wer wollte das bestreiten?
Und doch wollen wir uns immer wieder mit dem Grossen vergleichen, mit dem, das unvergleichbar ist. Es ist vollkommen sinnlos gegen die Ewigkeit zu messen.
Und doch brennt für den Dichter im Hintergrund die Flamme des Lebens. Den Wogen des Meeres von Geschichte und Ewigkeit wird die kleine, jederzeit auslöschbare Flamme des Lebens, der Liebe und Gottes gegenüber gestellt. Schwach, kaum leuchtend, im Hintergrund. Sie wird meist übersehen. Aber sie ist doch da. Sie gibt dem Menschenleben Sinn.
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