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  • AutorenbildMichael Baumann

Reicht beten denn nicht?

Aktualisiert: 23. Apr. 2020

Auf der Website der Zürcher Landeskirche findet sich ein markantes Bild gefalteter Hände. Es erinnert als Foto vage an Dürers berühmte Skizze, das sich einst auf vielen Konfirmationsurkunden fand. Doch das gut gemacht Bild ist überschrieben mit dem irritierenden Slogan: "Wenn beten alleine nicht reicht."

Das stört massiv. Denn erstens ist das Bild grafisch schlecht gemacht, denn ein Bild gehört nicht überschrieben. Wenn ein Bild überschrieben wird, dann wird das Bild zum Hintergrund, zur Tapete gemacht. Zudem erinnern Buchstaben auf Fingern an eher randständige Figuren, die sich Finger, Fäuste und ähnliches tätowieren. Vermutlich hat die Zürcher Kirche nicht in erster Linie Rapper im Fokus. Und Fäuste braucht es jetzt nicht, sondern helfende Hände.

Zweitens macht das Bild die zentrale Handlung aller Religionen kaputt: sie denunziert das Gebet. Das Gebet ist die Rede des Menschen mit Gott. Es lebt davon, dass Menschen nicht nur zu Menschen sprechen, sondern im Gebet eben auch mit Gott. Die Rede zu Gott nennt man Gebet. Sie gehört zu allen Religionen. Keine Religion ohne Gebet. Es ist auch nicht wichtig, ob man alleine oder in Gruppen betet. Denn das Gebet in Gruppen ist nichts anderes als das Gebet allein. Und ein Slogan, der missverstanden werden kann, ist selten wirklich witzig, sondern meistens flach.

Nun wird mit diesem Flyer, dessen Beweggründe ja durchwegs ehrlich und gut gemeint sein mögen, ein Kriterium der Effizienz geliefert - egal wie man ihn versteht: Gebete sollen nützlich sein. Das ist schwach. Es ist theologisch dünn und auch falsch. Gebete reichen nie - und immer.

Denn drittens ist es völlig klar, dass Gebete nicht unbedingt von Gott befolgt werden müssen. Gebete messen sich überhaupt nicht daran, ob sie nützen oder "reichen". Es wäre ja schon die Frage, was "reichen" heisst. Sind Gebete eine Form von Medikament? Sind sie Zaubersprüche? Wirken sie zu viert mehr als zu zweit? Wirkt das Gebet mit einer "Fachstelle" mehr als allein? Ist die Pfarrerin "wirkmächtiger" im Beten als der Kranführer?

Darin liegt ja der Witz eines Gesprächs mit Gott: Ein Gebet ist kein Befehl. Würde ich im Gebet Gott befehlen, dann wäre Gott mein Sklave. Wie aber das Beispiel Jesu am Kreuz zeigt, hat auch der Messias gebetet und mit Gott gerungen. Hätte er da besser der Zürcher Kirche telefonieren sollen? Hätte das mehr bewirkt? Ein Online-Chat statt des flehenden Rufes zum Himmel? Und weiter: Wenn ganz viele miteinander beten, dann muss Gott handeln? Das war aber schon im 17. Jahrhundert bei Naturkatastrophen nicht unbedingt unbestritten.

Ich frage mich: Wer zum Himmel kontrolliert dies? Seid ihr noch bei Trost?

Denn viertens macht sich damit die Zürcher Kirche selbst über das Gebet als solches lächerlich. Das ist unstatthaft. Es ist aber auch besonders dumm, denn gerade in Zeiten, wo Menschen vor dem Virus wirklich Angst haben, unter Isolation leiden und sich nach nichts mehr als nach Zuwendung sehnen, sollte man nicht die erste und ernsthafteste aller religiösen Handlungen lächerlich machen, um eine Anzahl von Telefonnummern oder gut gemeinten Sozialangeboten populär zu machen. Oder um es mit dem wirklich klugen Rat von Franz Hohler, in einer der unzähligen Diskussionssendungen zum Coronavirus gemacht, zu sagen: Vielleicht sollte man jetzt wieder einmal beten.

Mehr ist darüber nicht zu sagen. Ausser: Entfernt so schnell als möglich diesen überaus dummen Hinweis.


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