Predigt zum Totensonntag
Pfarrer Michael Baumann
22. November 2020
Es könnte aber jemand fragen: Wie werden die Toten auferstehen und mit was für einem Leib werden sie kommen? 36 Du Narr: Was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. 37 Und was du säst, ist ja nicht der Leib, der werden soll, sondern ein bloßes Korn, sei es von Weizen oder etwas anderem. 38 Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er will, einem jeden Samen seinen eigenen Leib. 39 Nicht alles Fleisch ist das gleiche Fleisch, sondern ein anderes Fleisch haben die Menschen, ein anderes das Vieh, ein anderes die Vögel, ein anderes die Fische. 40 Und es gibt himmlische Körper und irdische Körper; aber eine andere Herrlichkeit haben die himmlischen und eine andere die irdischen. 41 Einen andern Glanz hat die Sonne, einen andern Glanz hat der Mond, einen andern Glanz haben die Sterne; denn ein Stern unterscheidet sich vom andern durch seinen Glanz. So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. 43 Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. 44 Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib.
1. Korinther 15,35ff.
Friede sei mit euch von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.
Liebe Gottesdienstgemeinde, liebe Freunde
Es haben Menschen Paulus gefragt.
Sie haben sich an den Lehrer gewandt, wie wenn wir etwas wissen wollen, klären müssen. Dann ruft man heute Google auf. Dann merkt man, dass es vielleicht doch komplizierter ist. Dann braucht man Hilfe. Hilfe bei Erfahrenen, bei denen, die weiter sind. Bei Experten, Trainern, Ausbildnern, Coaches.
So war es damals in Korinth. Menschen sind gestorben. Menschen, die an Christus geglaubt haben. Die von ihm überzeugt waren, dass er der Auferstandene ist, Gottes Sohn, der uns das ewige Leben und die Auferstehung versprochen hat. Und nun sind sie doch gestorben. Und Christus ist bislang nicht wieder gekommen.
So war es damals in Korinth. Und sie wenden sich an Paulus und bitten ihn: Sage du uns, wo sind denn jetzt die Toten? Wo gehen sie hin? Was ist mit der Auferstehung? Wir können es nicht glauben.
Und Paulus setzt sich hin und nimmt seine Freunde in Korinth ernst.
Und Paulus schrieb vor genau 1965 Jahren über den Leib, den Körper.
Und Paulus sah, dass die Körper der Verstorbenen begraben werden.
Und Paulus glaubte, dass wir dennoch auferstehen und uns das himmlische Leben geschenkt wird.
Wie denn?
Indem er in grossartiger Weise zwei Dinge nicht verleugnet.
Erstens, dass nichts, aber auch gar nichts in dieser Welt am Sterben vorbei führt und dieses in keiner Art geleugnet werden kann. Dass Menschen sterben und in der Natur alles vergeht kann zu zwei Haltungen führen.
Entweder dazu, das Nichts anzuerkennen und bestenfalls stoisch Haltung zu bewahren. Oder aber auch zu verzweifeln. Doch Haltung angesichts jedes Endes ist nicht leicht und wenig tröstend.
Oder es führt zum Vertrösten, zum Ausmalen von Paradiesvorstellungen, zu Himmelbildern und Fantasie. Doch je bunter und süsser das Paradies, desto böser winkt in unserem Innern wieder der Zweifel.
Was, daran glaubst du noch?
Beide Wege sind eigentlich Sackgassen. Nur auf das Diesseits zu vertrauen oder das Jenseits bunt und süss zu gestalten ist heikel und letztlich wenig tragbar.
Darum beginnt Paulus mit dem harten Wort vom Weizenkorn, das stirbt. Der Punkt ist verstörend: Nichts in der Welt lebt, ohne dass vor etwas gestorben ist. Narr, wer von einer Welt aus lauter Liebe und Leben träumt. Narr, wer die Welt nicht in ihrer Härte sieht. Narr, wer sich vertrösten lässt oder billig resigniert.
Zweitens tappt Paulus aber auch nicht in die Falle, darum jede Hoffnung fahren zu lassen. Es wäre ja so einfach: Weder taugen unsere Jenseitsbilder, noch taugt das schlichte Geniessen dieser Welt. Also lassen wir alles sein und bleiben.
Hier kommt der Apostel und nimmt seine Freunde in Korinth sehr ernst. Sie trauern um ihre Engsten und Liebsten. Sie trauern um die, die ihnen alles bedeutet haben.
Paulus betont: Es gibt verschiedene Formen von Leben und von Sein. Es gibt nicht nur einen Art Leib und nicht nur eine Art Körper. Es gibt nicht nur eine Art Licht und nicht nur eine Art Leben.
Dies zu behaupten geht schlicht und ergreifend an der Welt vorbei.
Die Welt mag uns zwar sagen: Ich bin eines, ich bin alles.
Doch nichts in dieser Welt ist eindeutig und klar. Alles ist mannigfaltig, verschieden und bunt.
Wir denken zu einfach, wenn wir das Leben nur von der Geburt bis zur Todesstunde bemessen. Das Leben beginnt schon vorher. Jede und jeder steht in einer Generationenfolge. Wir alle haben Eltern, Grosseltern, Urgrosseltern. Wir alle kommen aus einer uns nicht erschliessbaren Vergangenheit und unser Leben geht und beeinflusst Generationen in Zukunft.
Wir denken zu einfach, wenn wir nicht damit rechnen, dass da ein Gott ist, der seit Urzeiten zu Menschen sprach und uns Richtung und Ziel weist.
Mose steht genau für diese Haltung. Die Geschichte von Mose ist die Geschichte des redenden und leitenden Gottes. Er holt ihn aus der ägyptischen Sklaverei, er führt ihn sein Leben lang trotz etlicher Wirren, Zweifel und Anfechtung und zeigt ihm am Ende des Lebens das Land und das Versprechen an seine Nachkommen.
Es ist der Gott, der zum Menschen redet und mit ihm viel vorhat.
Zwar wird auch bei Mose nicht geleugnet, dass der hochbetagte Mensch stirbt. Und man stelle sich vor: Mose, von dem erzählt wird, dass Gott mit ihm von Angesicht zu Angesicht gesprochen hat, dem Gott gar die Zehn Gebote diktierte – Mose wird begraben und sein Grab geht vergessen. Niemand weiss etwas mehr davon.
Ein härteres Annehmen der Welt ist kaum möglich: Verscharrt und das Grab vergessen. Doch nicht von Gott verlassen.
Das ist der Clou in der Predigt des Paulus: Wer von Gott angesprochen ist, wer das Leben als Geschenk und Gabe des Ewigen versteht, wer damit rechnet, dass in der Welt viel mehr möglich ist, als es vorfindlich scheint, zu dem steht Gott in seiner ganzen Macht.
Nur dort, wo die Härte des Sterbens und des Todes ganz ernst genommen wird, wo weder stoische Haltung noch einfache Vertröstung den Blick trüben, nur dort spricht Gott zu uns.
Nur dort, wo der Mensch wie Mose merkt: Nichts, aber auch gar nichts mehr habe ich in der Hand, um mich selbst zu retten, dort tritt Gott an die Stelle und spricht: Dies ist das Land, das ich deinen Nachkommen gebe, wie ich es versprochen habe.
Denn Land meint Leben. Land meint Raum. Land steht für Zukunft.
Paradoxerweise zieht sich dieser Gedanke durch die ganze Bibel: Dort, wo der Mensch an sein eigenes Ende kommt, wo nichts mehr ihn retten kann, erst dort tritt Gott auf.
Darum sagt Paulus: Es wird gesät in Verweslichkeit, es wird auferstanden unverweslich in Herrlichkeit.
Es wird gestorben in Natürlichkeit, es wird auferstanden in Geistlichkeit.
Doch es ist Gott, der zu uns redet und in seinem Reden und seiner Sprache uns hält.
Was bleibt ist der sprechende Gott. Nicht von ungefähr lässt Paulus darum die Bilder vom Jenseits weg. Es gibt keinen einzigen Satz, wo der Apostel seinen Lesern und Zuhörern den Himmel ausmalt.
Sondern seine Überzeugung und sein Trost ist der, dass Gott zu dir spricht, dass er dich nicht vergisst, dass wir Menschen nie näher an Gottes Wort sind, wie im Sterben.
Weil dieser Gott zu uns spricht und sein Wort nie verhallt, darum dürfen wir darauf hoffen, dass keiner unserer Liebsten vergessen wird. Gott spricht in Ewigkeit mit ihnen und kennt jeden mit seinem Namen.
Amen.
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