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  • AutorenbildMichael Baumann

Predigt am 6. Sonntag nach Trinitatis, 11. Juli 2021


Zum Abschied von Ruth Bolliger als Katechetin in Wiesendangen


6 Wer Unterricht in der Lehre von Christus erhält, soll seinen Lehrer mit seinem ganzen Besitz unterstützen.

7 Täuscht euch nicht! Gott lässt keinen Spott mit sich treiben. Denn was der Mensch sät, das wird er auch ernten. [...]

9 Lasst uns daher nicht müde werden, das Rechte zu tun. Denn wenn die Zeit da ist, werden wir die Ernte einbringen. Wir dürfen nur nicht vorher aufgeben.

10 Solange wir also noch Zeit haben, wollen wir allen Menschen Gutes tun – vor allem aber denjenigen, die durch den Glauben mit uns verbunden sind.

Galater 6 (Basisbibel)


Friede sei mit euch von dem, der da ist, und der da war und der da kommt! Amen.


Liebe Freunde und liebe Gottesdienstgemeinde,

geschätzte Ruth!


Es ist ja nicht so, dass man als Pfarrer selten auf der Kanzel Abschiedsreden hält. Doch mögen auch die meisten derer, denen diese Abschiedsworte gelten, in Ewigkeit lebendig sein, anwesend sind sie in der Regel nicht.

Anwesend bis hingegen glücklicherweise heute du, liebe Ruth, und darum gelten diese Minuten theologischer Reflexion auf das Wesen der Katechetik dir.

Ich wage es natürlich nicht, über dich zu predigen, was mir auch gar nicht zustehen würde, hingegen über das, was du in vielen Jahren der Unterrichtstätigkeit hier in Wiesendangen und als bei weitestem Amtsälteste aller Mitarbeitenden getan und geleistet hast. Unter anderem weit über 400 Kinder – so haben wir gerechnet – besuchten bei dir eines oder gar alle ihrer Unterrichtsstunden. Schon das erheischt Respekt.

Es geht mir aber nicht um einen Rückblick auf deine Tätigkeit. Es geht mir um das Wesen des Katechetischen. Und was dieser vielleicht Vielen heute sperrige Begriff meint, weil durch neumödige Worte und oft leider auch wenig bedeutsame verdrängt, geht jeden Christen an. Es ist nämlich das Wesen des Unterrichts in der christlichen Lehre.

Denn längst bevor das Volksschule und die Branche aller nötigen und unnötigen Weiterbildungen, Kürslis, Masters und Diplömchen uns einzuhämmern begangen, war den christlichen Denkern und allen voran Jesus von Nazareth klar: Glaube muss gelehrt werden. Man glaubt nicht von sich aus.

Man glaubt nicht von sich aus an Gott und den Erlöser, schon gar nicht an den biblischen Gott. Man mag allerhand glauben, aber nicht im Christentum. Irgendjemand muss es seinem Kinde erzählen, weiter geben. Irgendjemand der im Glauben weiter steht hat dich an die Hand zu nehmen und zu führen.

Was in jedem anderen Bereich des Lebens für völlig normal gilt, dass du weder als Modellbauexpertin, Kochkünstler, Gartenvirtuose, Kunstaffiçionado oder Schachgrossmeisterin famulus geboren wirst, sondern in der Regel dies mit jahrelangem Üben abzuleisten hast, stösst in religionis an die Grenzen moderner Selbstbehauptung. Was, im Glauben soll mich lehren? Ich entscheide doch selber, wie ich selig werden will.

Gewiss, du entscheidest selbst, das war schon das Problem derer, die dem jüdischen Rabbi in Galiläa begegneten und lieber ihre Schäfchen in Trockene bringen wollten oder ihr Vermögen zuerst ordnen. Selber machen ohne Lehrer bringt selten schnell Erfolg. Es ist zwar die Gabe des Autodidakten, sich selbst zu schulen, doch Autodidakten sind so selten wie Nobelpreisträgerinnen.

Das meinst: Auch in religionis zahlt es sich aus, auf den Lehrer zu hören, auf die Lehrerin. So der Galaterbrief, in welchem der Apostel eindringlich die Notwendigkeit des Lehrers und des Unterrichts preist, ja geradezu voraussetzt.

Kein Glaube ohne Unterricht. Kein Heil ohne Glaube. Folglich auch keine Seligkeit ohne Katechetin.

Natürlich war die Erfindung des christlichen Lehrers, also des Katechetin und schon ganz früh der Katechetin nicht unmittelbar nach dem ersten Ostern geplant. Aber so absurd war dies doch auch wieder nicht, denn sprach nicht der Heiland Matthäi am Letzten davon, dass die Jünger in alle Welt gehen sollten und die Völker eben lehren und davon sprechen, dass sie all das halten und beachten sollten, was er ihnen mitgeben habe?

Nichts anderes meint der Taufbefehl Christi also, als dass es Lehrerinnen gäbe – heute politisch überkorrekt Lehrende oder Lehrpersonen gesprecht, was glücklicherweise Ruth selten mitgemacht, sondern kirchlich von der Katechetin gesprochen hat. Es käme noch so weit, dass wir von Katechetikpersonen schwafeln.

Nun denn, dass schon die ersten Christen über die Notwendigkeit des Unterrichts in der christlichen Religion wussten – und das Judentum übrigens auch und qua Rabbinat schon viel länger – ist evident.

Nur als einen kleinen Zeithüpfer füge ich an, dass Calvins wirkmächtigstes Buch der reformierten Reformation nicht umsonst Institutio Christianae Religionis heisst, was normalerweise mit Unterricht in der Christlichen Religion übersetzt wird und als zwar anspruchsvolles, aber durchaus breit zu streuendes und zu lesendes Schulbuch verstanden wurde.

Wie wichtig das Lehren schon dem Apostel im Galaterbrief war, zeigt die Linie, die er von der Katechetin auszieht:

Was sie säht, wird der Mensch ernten. Und zwar als ganzer und ganzheitlich. Sowohl hinsichtlich der Verbindung mit Gott wie auch ethisch untereinander.

Nichts weniger als das Heil in Christus hat der Katechet und Lehrer weiter zu geben, nichts weniger als die Liebe zum Nächsten zu predigen und einzuüben. So heisst es ja:

9 Lasst uns daher nicht müde werden, das Rechte zu tun. Denn wenn die Zeit da ist, werden wir die Ernte einbringen. Wir dürfen nur nicht vorher aufgeben.

10 Solange wir also noch Zeit haben, wollen wir allen Menschen Gutes tun – vor allem aber denjenigen, die durch den Glauben mit uns verbunden sind.

Nun mag man einwenden, das sei vielleicht für die Landeskirche reichlich hoch gegriffen und überfordere die Aufgabe der Katechetinnen völlig.

Sicher, nur wer die Ziele tief hängt, erreicht auch wenig. Wer zu den Sternen gelangen möchte, muss viel wagen.

Was hängen bleiben mag bei all unserem Bemühen, ist letztlich nicht in unseren Händen.

Man konnte, und hier darf ich ein klein wenig nun plaudern, bei Ruth lernen, was es heisst, die Ziele nicht tief, sondern hoch zu hängen.

Niemand war stets derart klar und wohl vorbereitet, wie sie. Nicht nur die einzelnen Stunden und Lektionen, legendär auch die mit überaus grosser Akribie geplanten Gottesdienste, was den Kindern und Schülern Sicherheit und Vertrauen gab.

Und noch jedes Taufkind erhielt ein besonders schön gestaltetes Trückli, in welchem die Wünsche für die Zukunft aufbewahrt und die Erinnerung an eine besondere Tauffeier aufrecht erhalten wurde.

Ebenso episch die Veranstaltung in der Wisenthalle, wo deine Schüler die oft fragwürdige Herkunft eine Jeans den verblüfften Gästen zeigten, indem ein Gespinnst aus Wollfäden die ganze Halle zierte und das Hin und Her unserer Waren quer über den Globus illustrierten. Lange bevor uns Corona und Folgen zeigten, dass aus China nicht nur billige Waren zweifelhafter Herkunft zu uns kommen – oder eben nicht mehr, weil die Container und Schiffe fehlen – sondern ebenso andere ungebeten und blinde Passagiere.

Und du hast, verehrte Ruth, den Kindern vor jeder Lektion einen Empfang mit Znüni und Willkommensgruss bereitet, so dass sie sich erwartet und begrüsst fühlten.

„Wir wollen den Menschen Gutes tun und nicht müde werden,“ wie es der Galaterbrief schreibt.

Dazu gehörten natürlich auch die Sugus, die als symbolische kleine Schätze die Schützlinge nach den Stunden jeweils ergatterten.

Gewiss, du hast Wiesendangen nachhaltig gepflegt und der Gemeinde ein Fundament gelegt. Damit natürlich auch das Niveau angezeigt. An dem gilt es sich zu messen.

Das gelingt nur dem, der sich den Menschen zugeneigt fühlt. Man muss sie lieben, wie schon der heilige Augustin in seinem kleinem Handbüchlein für Katecheten im Jahr 400 n.Chr. geschrieben hat.

Die Liebe ist das höchste Ziel und man darf sie nicht fahren lassen, auch wenn – auch das finden wir bei Augustin – Katechetinnen und Katecheten das eine oder andere Mal überdrüssig werden mögen, weil sie oft Dinge wiederholen müssen, weil das Gegenüber es nicht versteht.

Oder aber, weil die Schüler müde sind. Und die Aufmerksamkeit fallen lassen. Gar – o heiliger Bimbam – ohnen „der Mund offensteht, weil sie gähnen“. Auch das passierte dem grossen Kirchenmann. Man staunt.

Augustins Rat an die erfahrene Katechetin: Erzähle sie etwas Scherzhaftes, etwas Staunenswertes, gar einen Witz oder etwas besonders Trauriges, das die Zuhörer fesselt.

Du siehst, liebe Ruth, dein Unterricht war ganz offensichtlich in etwa so, wie es der grosse Augustin sich auch vorgestellt hat. Und wenn er schreibt, dass der Katechet – die Katechetin – mit „grösstmöglicher Freundlichkeit zu lehren habe,“ um damit ein kleines Abbild der himmlischen Freude und Gottes Liebe zu uns zu geben, so war dies über all die Jahre gewiss vorhanden. Dafür danke ich dir.

Und es lehrt uns alle, dass niemand auf die Lehrerinnen im Glauben verzichten kann.


Amen.


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