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  • AutorenbildMichael Baumann

Predigt am 21. Sonntag nach Trinitatis, 24. Oktober 2021

Von der notwendigen Zwietracht


34 Meint nicht, ich sei gekommen, Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. 35 Denn ich bin gekommen, einen Mann mit dem Vater zu entzweien und eine Tochter mit der Mutter und eine Schwiegertochter mit der Schwiegermutter; 36 und zu Feinden werden dem Menschen die eigenen Hausgenossen. 37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. 38 Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und hinter mir hergeht, ist meiner nicht wert. 39 Wer sein Leben findet, wird es verlieren; wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden.

Markus 10,17



Friede sei mit euch von dem, der da ist, und der da war und der da kommt! Amen.


Liebe Freunde und liebe Gottesdienstgemeinde


Kein Mänsch isch gränzelos tolerant. Eimal gaats as Iigmachtè, wo euis wichtig isch.


Irgendwo isch für jede vo Eui fertig. Die einè werded dänn luut, die anderè gönd wäg. Mängi werded au eifach ganz schtill. Flucht, Kampf oder Erschtarrè seit dem d Biologie. Und jedè hät das scho erläbt.


Wo die einzelnè Gränze sind, isch individuell. Für dè einti isch es en politischi Haltig. Für dè ander sind das scho d Fäns vomenè anderè Fuessballclub.

Ganz allgemein reagiered mir eher pikiert, wänns um die eigeti Familie gaat. Um die, wo eim nööch sind. Luschtigerwiis gönd vili mit Kritik und Agriff uf die eigeti Person besser um, als wänn d Frau, d Chind oder d Elterè aagriffè werdid.


Dè Mänsch isch es prägts sozials Wesè. Tüüf in euis drin wüssed mir, dass es ellei eigentlich nid gat. Und au, dass mer ebè La Famiglia nid uussuechè chan. Nonig, dänn au das wänd Linksgschträälti ja längerfrischtig änderè.


Und jetzt chunnt das Jesus-Wort, wo dè meischtè, wo d Religion no öppis bedüütet, total quer dehär. Dänn mer händ dè Sandale-Jesus in euis drin. Dè mit em verkläärtè Blick, ätherisch in d Wiiti grichtet, wie mer en no im schwarz-wiiss-Film vom Pasolini us dè 60er Jahr chan gsèè – hüt säged dem Konfirmandè "en bekifftè Blick".


Jesus als Prototyp vom Fridensstifter. Jesus, wo nur s Guetè will. Fridè, Liebi, Läbè.


Dem entspricht die Schtell überhaupt nid. Es isch en Jesus, wo mit aller Schärfi zunerè Entscheidig drängt. Entweder – Oder. Jetzt oder nie. Kei halbi Sach.


Und jetzt chömed dè einè gwüss Situationè in Sinn, wo genau das passiert. Situationè, wo mer nid chan verschtaa, dass Religion trännt statt eint. Und schnäll sind die billigè Kritiker uf em Platz, wo s Bad mit em Chind uuslèèrè wänd und säged, grad drum segi ebè Religion grundsätzlich vom Bösè, hintertribè und förderd bloss Chrieg, Zertrännig und Hass.


Und ebè, wer das sälber erläbt, dass Konfession, Religion oder Glaubensstil Familie kabutt macht, chan das so gsèè. Toleranz isch erreicht, wänn din Sohn dich als em Tüüfel verfallè gseet – dini Tochter und d Änkel kein Kontakt mèè wännd, will d Grosselterè nid im Herr sind. Oder umkèèrt s Grosi im Tösstal immer no id Gmeinschaft gaat und drum immer chränker wird. Wie au immer.


Religion als Spaltpilz, als Gsüder, als Gsüchti. Religion als das, wo grad s Trägendè vo euis kabutt macht. Das gat nid.


Jetzt liit s Problem natürli da drin, wie mer das gwüss originalè Jesus-Wort verschtaat. Unzwiifelbar isch es es Wort zur Entscheidig. Es Wort, wo en Art Warnig darschtellt.


En Achtung-Tafelè. En Achtung-Tafelè wie mer sie känned: Achtung Schteischlag! Nid aahaltè, scho gar nid parkierè oder pique-nique.


Oder Achtung Herdè-Schutzhünd. Nid da schtaa und die zotteligè Viecher wellè schtreichlè.

Achtung rutschigè Bode, das sind die gälè Klappständer, wos us Versicherigsgründ überhall hät. Söttisch uufpassè – obwohl, isch ja na nie öppis passiert, oder?


Ebè: wie s Läbè eso spillt, meischtens nämed mer die Achtungtafelè grad eso am Rand waar. Mer hät sie gsèè, aber es passiert meischtens doch nüüt. Wehè dänn, wänn doch.


Eso en Warntafel isch das Jesus-Wort. Es meint: Wer dè Uufruef zur Entscheidig ernscht nimmt, für dè und die veränderet sich iri Toleranzgränzè.


Dänn Jesus meint durchuus: Religion isch nid Wellness und Kosmetik, Religion isch en Haltig und en Existänz.


Wer sie ernscht nimmt, für dè gits en neui geischtigi Landchartè. Neui Orientierigspunkt. Wägmarkè. Und das meint au: Gränzè.


Dänn das isch die chrischtlichi Religion ganz entschidè zallererscht: En Landchartè wo demit ebè au Gränzè setzt. Und die Gränzè füert zu Entscheidig.


Wiit devo entfernt es "anything goes" z sii, wie hüt Modè oder es platts "mir sind doch eso tolerant, jedè söll für sich entscheidè". S dümmlichè Bonmot, wer für alles offè isch, isch nid ganz dicht, hät da sini Waaret.


Dè französischi Philosoph Patrick Buisson hät imenè genialè Essay gschilderet, dass im als konservativem Katholik dè überzüügti Moslim lieber und nöcher segi, als all die laizischtischè, jeder Religion entwurzletè Franzosè, will en überzüügtè Moslem – natürlich nid en Islamischt – wenigschtens über sini geischtigi Landchartè und Wägmarkè verfüegt. Das sind zwar nid sini und euis, aber doch religiösi Wägmarkè. Entscheidigsgrundlagè. Sie tränned und markiered, sind aber immerhin klar und düütlich.


Jesus' Wort vom Schwert meint also zerscht emal grad das: Entscheidig gits nid oni Gränzè und Separierig. Erscht wo trännt und markiert, gschnittè und separiert isch, chammer sortierè, püschelè und wieder zäme füegè.


Das bedüütet Arbet. Iisatz. Das isch müehsam und aastränged. Aber es bewaart eim devo, Religion als billigè Troscht, netts Vertröschtè, als en villicht nötigi Letztversicherig z verschtaa, wänn nüüt anders mèè hilft.


So wies i dè Ziitig grad gheissè hät: Wänn dè Spitalpfarrer chunnt, isch fascht alls verlorè. Dänn chasch ebè nummè no bättè und dänn chammer ja es bitz fromm sii. Nützts nüüt, so schadts nüüt. Isch ja ee nümm luschtig.


Es isch grad umkèèrt: Religion isch Enscheidig. Isch Landchartè. Isch klar werdè, was dir und vor allem Gott mit dir wichtig isch.


Heinrich Bullinger hät das gmeint, wo er em Zürcher Rat 1531 nach em Tod vom Zwingli gseit hät, er würdi sich aber s Muul nid verbüütè laa. Dè Rat hät klugerwiis gseit, eso pollitisierendi Theologè segid gföörlich – und demi elegant drüber hinwägg tüüscht, dass eigentlich die höcher Herrè zmindscht politisch-militärisch sälber tschuld gsii sind, dass sie in Kappel vomenè Buure-Tölpel-Huufè vo junge Burschtè mit gwüss rächt vill Wii im Bluet eso schmächlich uf d Schnauzè übercho händ.


Doch Bullinger seit: Nei, s Evangelium isch räss – salzig und scharf – und s Evangelium will en Entscheidig. Villicht hät er s Wort Schwert gschiider i dem Fall nümm pruucht – aber tänkt hät er sicher an die Schtell.


S Evangelium meint: Religion und Glaubè als Entscheidig. Das vertreit immer wieder emal kei halbi Sach, dänn wäris en halbi Sach, wäris kei Landchartè.


Aber, und das isch dè Punkt: Du muesch au dir im Klarè drüber sii, wie und bis wohi u dè Landchartè folgisch.


Amen.

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