Selten wie in den letzten Tagen ist mir die Relevanz von Mani Matters Lied so klar geworden. Eigentlich würde ich am liebsten nicht mehr zu diesem Verein gehören, der nahezu keine Gelegenheit auslässt, in Fettnäpfchen und Peinlichkeiten zu treten. Lassen wir die politischen Schlagseiten einmal ausser Acht und den selbst auferlegten Maulkorb unserer Kirchenleitungen, pardon: Krisenstabchefs, dann bleibt die unselige Sache mit dem gechassten Präsidenten der Evangelischen Kirche Schweiz, dem ehemaligen Kirchenbund.
Notabene: Gerade der, dessen Name nun nicht mehr genannt werden darf, Gottfried Locher, war einer der Hauptbefürworter des Namenswechsels und einer ziemlich kuriosen Statutenrevision.
Alles sollte anders, moderner, kompetitiver und vor allem wahrnehmbarer werden. Man sollte wieder auf die reformierte Kirche der Schweiz hören, auf allen Kanälen. Und am liebsten hätte man auch gleich ein Bischofsamt eingeführt und es stand auch einer bereit, der sich dafür geeignet gehalten hätte.
Nun ist dieser eine aber über eine Bett- und Bettvorlegergeschichte gestürchelt. Und es waren nicht die ersten Misstöne. Da geisterten Geschichten herum über schnell entlassene Mitarbeiter, die plötzlich zu kritisch waren. Da waren Spesengeschichten und Luxusflüge. Und ein kleiner Sturm im Wasserglas vor der letzten Wiederwahl. Und nun kommen die Enthüllungen, die einen Womanizer an der Spitze der reformierten Kirche vermuten lassen. Gewiss, es gilt nach wie vor jede Unschuldsvermutung, das muss man in digitalen Zeiten abundant überall notieren. Es ist das die digitale Form des mittelalterlichen Brauchs, das Böse und den Teufel mit Weihrauch zu bekämpfen.
Interessant ist indessen, dass nun gerade eine junge Journalistin des Blick auf Verschiedenes aufmerksam machte und den Finger auf den entscheidenden Punkt legte: Der Ruf der Kirche ist ruiniert.
Denn die quasi selbst ernannte Kirchenleitung der Reformierten (an und für sich ein Ding, dass es nie gegeben hat, gerade in der Schweiz nicht!), hat sich selbst auf das Niveau des Bachelors begeben: Da ein Pfarrer und Möchtegern-Bischof, dort verschieden Kirchengirls, die ihn anhimmeln. Das ganze ist derart lächerlich und abstrus, es gehörte an und für sich in die Kisten dessen, was jede Pfarrerin und jeder Pfarrer in einer Gemeinde irgendwann zu hören und zu sehen bekommt und nie darüber reden darf. Es ist so tief menschlich, dass es fast wieder rührend ist, wenn nicht gleichzeitig so hahnebüchene Charakterfehler zu erahnen wären. Nur der eine: der gescheiterte Präsident der EKS trägt ostentativ den Doppelnamen seines Grossvaters, der einst ein wirklich epochemachender Theologe und Zwingli-Gelehrter war. Honi soi qui mal y pense.
Dass aber nach Wochen des erzwungenen Stillstandes und einer geistigen Virus-Lähmung die Kirchenleitungen und Kirchgemeinden nun keine andere Botschaft haben als solche Cervelat-Prominenz-Geschichten, lässt aber noch viel tiefer blicken. Wo sind wir bloss gelandet?
Es geht nicht nur um den finanziellen Schaden, der nun durch irgendwelche Anwältinnen und Abfindungen auf die Steuerzahler zukommt. Und auch nicht nur um die ach so armen Partnerinnen. Sondern um die Glaubwürdigkeit: Es ist schlicht und ergreifend eine Frechheit, Wasser zu predigen und Wein zu trinken und nichts als Sünde, Menschen absichtlich zu hintergehen und zu verletzen.
Aber wo denn bitte schön sind jetzt all die Kolleginnen und Kollegen, die diesem Irrsinn etwas entgegen halten? Die muss es ja noch geben, immerhin war Mani Matter auch davon überzeugt, dass es nicht nur die im Verein gibt, die einen peinlich sind und mit denen man nichts zu tun haben möchte. Es gibt doch auch die, die einen stolz machen, dank denen man gerne dazu gehört. Es wäre wirklich an der Zeit, dass sich diese auch zu Wort melden. Dass wir als Kirche bloss noch ein Verein unter vielen sind, ist Folge des Zeitgeistes. Damit müssen wir leben, das war zur Zeit der grossen Kirchenväter auch nicht anders.
Und was es auch seit der Antike immer wieder gab sind menschliche Irrtümer und Fehlgriffe, so schmerzlich die für die Beteiligten auch waren. Peinlich war es auch damals.
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