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  • AutorenbildMichael Baumann

Meditation zum Sonntag Jubilate am 3. Mai 2020

Wochenspruch:

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weinbauer. 2 Jede Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, nimmt er weg, und jede, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie noch mehr Frucht bringt. 3 Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich euch gesagt habe. 4 Bleibt in mir, und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich heraus keine Frucht bringen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr es nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. 5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun. 6 Wer nicht in mir bleibt, wird weggeworfen wie die Rebe und verdorrt; man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt, und es wird euch zuteil werden. 8 Dadurch wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und meine Jünger werdet.

Johannes 15,1-8

Liebe Freunde, Brüder und Schwestern im Glauben!


Das sinnenfällige und einprägsame Wort von der Rebe und vom Rebstock hat gewiss alle die auf seiner Seite, die sich endlich etwas Konkretes und Praktisches wünschen. Hier nun ist ein Predigtabschnitt, der nicht nur konkret und gegenständlich wirkt, sondern gleich auch noch aus dem Munde Jesu stammt. Doch wie fast immer, konfrontieren uns die Worte Jesu mit einigen Tücken und heiklen Momenten. Lassen wir einmal die Frage einfach weg, ob die „Ich bin“-Worte im Johannesevangelium tatsächlich von Jesus stammen oder nicht. Ich halte die Frage für nebensächlich. Denn: Wenn sie nicht von Jesus selbst stammen, so stimmen sie doch in Inhalt und Ausdruck genial mit dem überein, was Jesus gelehrt und seinen Jüngern mitgegeben hat. Sind sie in ihrer Zahl tatsächlich ins Johannes-Evangelium gewandert – und nicht in die andern Evangelien – so mag das seine anderen Gründe haben.


Wie auch immer. Es ist nicht das einzige „Ich-bin“-Wort bei Johannes. Und doch: Johannes hat es so geformt und formuliert, dass man es nicht hätte besser tun können. Denn Jesus geht davon aus, dass der Rebstock – Jesus – und die Reben – wir! – miteinander verwachsen und verwurzelt sind. Wir gehören zusammen. Nun aber ist jede Rebe nicht allein und für sich im Universum – das wäre gelinde gesagt banal – sondern sie steht im Rebberg. Also in einem konkreten Lebens- und Wirkvollzug. Dazu gehört es, dass der Rebbauer die falschen und wässrigen Triebe abschneidet und den kräftigen Schösslingen Sorge trägt. Das ist die Ebene der Welt. So ist es normal. Daran lässt sich nichts ändern.

Doch andererseits gibt es die Sphäre der Wirklichkeit Christi – das ist die Ebene der Rebe: „Bleibt in mir!“ spricht Jesus. „Bleibt in mir“ und lasst euch nicht ablenken – von der Welt, vom Getriebe und all dem, das um uns herum passiert. Denn: Wenn ihr in mir bleibt, so bringt ihr viel Frucht.

Das ist interessant: Denn Christus bringt hier ein Belohnungsschema als Bild. Wer sich ihm treu erweist, der wird in der Folge mehr Ertrag, mehr Frucht, mehr ihm eigenen nennen, als die andern.

Noch vor zwei, dreihundert Jahren hat man das ganz praktisch verstanden: Als einen Schatz im Himmel, der denjenigen winkt, die sich auf Erden für das Himmlische einsetzen. Nun kann man heutzutage kaum mehr Menschen dafür gewinnen, sich für himmlische Schätze zu verausgaben. An und für sich ist das ja schade, weil sich die Menschen dann für ganz viel weniger wichtige, häufig dümmlichste Dinge verausgaben.


Andererseits: Betrachtet man Jesu Ratschlag neutral, so tönt er eigentlich wie ein zeitgenössischer „Personal Trainer“: Willst du – Mensch – dass du gewinnst an Fitness und Kraft, an Stärke und Ausdauer, so beachte und befolge meine Ratschläge. „Bleibe in mir und ich bleibe in euch – so bringt ihr viel Frucht!“


Man könnte das Jesus Wort also auch rein innerweltlich verstehen: Befolge meinen Rat, so wird es dir gut ergehen.


Nun war Jesus natürlich nicht so naiv, dass er seinen Jüngern und Anhängerinnen bloss innerweltliche Ratschläge erteilt hätte. Weit gefehlt. Er pocht darauf, dass mit seinen Ratschlägen gleichsam eine innere Verwandlung seiner Jünger und Anhängerinnen vonstatten geht. Sie werden am Herz verwandelt. Sie sind nicht mehr die gleichen. Wer sich wie eine richtige Rebe verhält, ist gänzlich auf den Rebstock angewiesen – lebt von ihm und ist in Gedeih und Verderben auf ihn angewiesen.

Darum geht es in diesem Bild: Jesus entwirft das Bild, dass er bis in kleinste Detail in unserer Gemeinschaft anwesend ist. Er durchdringt als Rebstock quasi jeden Rebschössling bis in die Spitzen.

Es ist das Bild vom Kleinsten zum Grössten: Wir sind angehängt als kleine Rebschösslinge aussen an die quasi überzeitliche Rebe, an den Rebstock Christi selbst, der von Gott gepflanzt und durch die Zeiten hindurch gepflegt und gewässert und genährt wird. Wenn wir als Rebschösslinge da bleiben und uns darauf besinnen, wo wir sind und was wir zu tun haben, dann ist für uns gesorgt. Wehe aber denen, die selbst gerne durch grosses Wachstum und Protzerei gross glänzen mögen, sie sehen sich plötzlich als Wasserschosse durch den Gärtner abgeschnitten und als überflüssig verbrannt

Spannend ist die Position von Johannes, dass dieses bildhafte Gleichnis ja von Jesus selbst ausgesprochen wird. Er spricht – Jesus spricht. Indem Johannes das in seinem Evangelium formuliert, bringt er eine neue Ebene ins Spiel: Jesus spricht selbst aus, wer zu ihm gehört. Nicht wir, du oder ich müssen uns als zugehörige definieren. Anders als heute durchaus üblich, gilt als nötig, dass wir uns selbst bestimmen. Es ist nicht nötig, dass du dich als Bürger, Seniorin, Grossmutter oder was auch immer bestimmst. Der Witz von Jesu Rede ist: Seine „Ich bin“-Rede zielt auf den Hören, auf die Hörerin: Wir sind bestimmt durch Jesus – nicht durch unser eigenes Tun und Beflissen-Sein. Sondern Jesus sagt zu uns: Ihr seid die Reben – ich bin der Rebstock. Wir gehören zusammen. Es gibt m.E. gar keine ernsthafte religiöse Äusserung, die diesem Satz auch nur näher kommt: Dass das Gottes Sohn zu uns sagt: Ihr gehört zu mir! Wir sind auf Gedeih und Verderben miteinander verbunden – Rebstock und Reben.


Das meint nicht anderes: Nichts – aber auch gar nichts – kann uns von Gott trennen. Was auch immer in dieser Welt geschehen mag.

Michael Baumann, 3.5.2020


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