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  • AutorenbildMichael Baumann

Meditation zum Sonntag Exaudi am 24. Mai 2020

Wochenspruch:

Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.

Johannes 12,32

31 Sieh, es kommen Tage, Spruch des HERRN, da schliesse ich einen neuen Bund mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda, 32 nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vorfahren geschlossen habe an dem Tag, da ich sie bei der Hand nahm, um sie herauszuführen aus dem Land Ägypten; denn sie, sie haben meinen Bund gebrochen, obwohl doch ich mich als Herr über sie erwiesen hatte! Spruch des HERRN. 33 Dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schliessen werde nach jenen Tagen, Spruch des HERRN: Meine Weisung habe ich in ihre Mitte gegeben, und in ihr Herz werde ich sie ihnen schreiben. Und ich werde ihnen Gott sein, und sie, sie werden mir Volk sein. 34 Dann wird keiner mehr seinen Nächsten und keiner seinen Bruder belehren und sagen: Erkennt den HERRN! Sondern vom Kleinsten bis zum Grössten werden sie mich alle erkennen, Spruch des HERRN, denn ich werde ihre Schuld verzeihen, und an ihre Sünden werde ich nicht mehr denken.


Jeremia 31,31ff.

Liebe Freunde, Brüder und Schwestern im Glauben!

Gott plant einen Neuanfang. Man mag diese Schriften verlachen und für veraltet halten. Man kann in Zeiten des Corona-Virus sich auch entweder auf das Vorfindliche konzentrieren oder aber emphatisch, engagiert oder auch wütend die Zeiten des Davor zurück wünschen. Beides aber kommt nicht im mindesten an die Qualität der Gedanken von Jeremia heran.

Jeremia berichtet von einer Offenbarung Gottes, der direkt Bezug nimmt auf das, was dem Volk Israel passiert ist. Es wurde besiegt, verfolgt und bestraft. Interessant ist, dass dieser Gott Jahwe zwar relativ frustriert erkennt, dass Israel seine Gebote und Anweisungen nicht beachtet hat, aber sich deswegen nicht mehr gross grämt.

Das Volk ist bestraft worden. Geschehen ist geschehen, passiert ist passiert. Viel mehr interessiert in dieser Mitteilung an Jeremia, dass Gott einen Neuanfang plant. Damit ist auch gesagt: Jahwe, der Gott Israel, ist gescheitert. Er selbst teilt mit: Ich habe dieses Volk aus Ägypten herausgeführt, habe unendlich viel für dieses Volk getan, und doch: Es hat nicht auf mich gehört!

Es gäbe für Jahwe also mehr als genug Gründe, dieses halsstarrige und sture Volk ein für alle Mal zu vergessen. Auf den Komposthaufen der Geschichte zu schieben und dieses mit allen anderen gescheiterten Völkern und Reichen dieser Erde der Vergessenheit anheim zu stellen.

Doch Jahwe ist anders. Dieser Gott Israels ist mindestens ebenso stur und halsstarrig wie sein Volk und will dieses nicht loslassen. Er verpflichtet sich fast trotzig es zum x-ten Mal nochmals zu versuchen. Wenn nötig, indem er ihnen seine Weisung und seine Zugehörigkeit direkt ins Herz schreibt.

Dies ist nun doch sehr interessant. Wir stellen heute, gerade heute, die Unabhängigkeit und die individuellen Rechte über alles. Sollte nur einer kommen, uns von uns wissen wollen, wo wir uns in den letzten 24 Stunden bewegt haben! Sollte gar der Bundesrat auf die Idee kommen, uns mittels Smartphone und digitaler App auf den Leib zu rücken und von uns unseren ach so heiligen persönlichen Standort wissen wollen! Da mutieren wir friedliebenden Eidgenossen und Helvetierinnen zu entschlossenen Wikingern und Spartanerinnen, die geistig sich gegen alle Übergriffe aufmunitionieren. Was fällt denn diesem Bundesrat ein?

Aber im alten Buch des Propheten Jeremia tönt Gott ganz anders. Der schert sich keinen Deut um die individuellen Rechte der Israeliten. Soll einer dieser Versager kommen und diesem Gott die Stirne bieten. Wer hat die Gebote und Weisungen nie gehalten?

Gott greif bei Jeremia zu ganz anderen Mitteln. Er mutiert den Israeliten geradezu, er schreibt ihm seinen Gottesglauben direkt ins Herz. Atheisten und Agnostiker mögen jaulen. Das interessiert den Gott Israels nicht.

Er geht soweit, dass nicht einmal mehr die Eltern ihren Kindern den Gottesglauben näher bringen müssen, sondern dass dies genetisch eingepflanzt ist. Die neuen, geschaffenen Israeliten und Gotteskinder können gar nicht anders, als Gott nach zu folgen, seine Weisungen zu halten und ihn zu loben und zu preisen.

Nun mag das prophetische Übertreibung sein. Ja, auch Propheten neigten vermutlich das eine oder andere Mal zur Zuspitzung. Schliesslich war es in keiner Art und Weise leicht, Sprachrohr Gottes zu sein.

Und zugegebener Massen ist die Wendung äusserst originell und frappant: Gott schafft sich auf den Resten, die nach all den Katastrophen übrig geblieben sind, ein eigenes, neues Volk, das nun doch endlich die Erwartungen erfüllen soll.

Nun wäre das vollkommen totalitär und abgründig, hätte nicht schon jeder zeitgenössische Hörer, jede Leserin in der jüdischen Tradition und gewiss alle weiteren immer schon gemerkt, dass dieser Gott Jahwe ja fortwährend immer neu beginnen muss. Immer wieder scheitert er. Ja das ganze Alte Testament ist eine unablässige Reihe des Scheiterns, diese Menschen tun nie oder fast gar nie das, was Gott von ihnen verlangt. Und doch: Er beginnt immer wieder von neuem.

Er lässt sie nicht los. Und mit jedem Neubeginn ist schon klar und mitgesetzt: Auch die nächste Generation wird vermutlich wieder scheitern, wird Gott wieder vergessen, sobald es ihnen etwas besser geht und Jahwe wird wieder fast verzweifeln. Es hört nie auf.

Es ist die geradezu spiegelbildliche Beschreibung dessen, was heute bei uns auch passiert. Was wird nun nicht alles prognostiziert, was wird nicht alles vorausgesagt, dass nun total anders sein wird. Was wird das Corona-Virus nicht alles verändern? Was müsste nicht alles neu begonnen werden?

Und gleichzeitig ist allen auch klar: Es wird gar nichts ändern. Sobald die Menschen ihre eigenen kleinen Freiheiten wieder zurück erhalten haben, werden sie möglichst schnell ins alte Fahrwasser zurück fallen. Man will die alten Gewohnheiten, Privilegien und Annehmlichkeiten zurück. Man will nicht wirklich voraus schauen und sobald irgend jemand mit Kosten und Pflichten anrückt, hört der Spass vollends auf.

Das ist der Punkt, wo Jeremia das ungeliebte Wortpaar von Schuld und Sünde bringt. Gott verspricht Jeremia, dass der Neuanfang nicht einfach das Vergangene vergessen soll, sondern dass er Schuld und Sünde tilgt und nicht mehr beachtet.

Das mag altmodisch und antiquiert tönen, ist aber unerhört menschlich und bedeutsam: Jahwe beginnt neu und befreit den Menschen von seiner eigenen schicksalshaften Belastung.

Gott macht den Menschen in dieser Prophezeiung nicht zu einer willenlosen Marionette, zu einem ferngesteuerten Zombie oder einer Kreatur, die von Computern und Apps abhängig ist. Sondern Gott befreit den Menschen von der selbstgewählten und selbstgeschaffenen Unfreiheit namens Sünde. Denn dies meint das Zurückfallen in die immer wieder gleichen stereotypen Grundmuster, an denen wir alle immer wieder kranken.

Jeder Paartherapeut, jede Gesundheits- oder Gewichtsberaterin, jeder Fitness-Coach kann davon ein Lied singen: Menschen fallen immer wieder in die gleichen Muster zurück.

Man kann unendlich oft das Umfeld ändern, Beziehungen neu beginnen oder die Arbeitsstelle wechseln. An und für sich ist das alles eine Frage der finanziellen oder menschlichen Ressourcen. Was man aber kaum so ändern und wechseln kann, ist das eigene Ich.

Hier setzt Jeremia mit der Prophezeiung Jahwes an: Ich, spricht Gott, ändere dich so, dass du tatsächlich anders bestimmt wirst. Du musst als Mensch nicht mehr fliehen vor deiner Vergangenheit, sondern du wirst neu und beginnst mit mir von vorne.

Man kann sich das Revolutionäre dieser Idee nicht genug radikal vorstellen. Gott ermöglich dir und mir einen Neuanfang, gleich ob du nochmals in die Primarschule, die Lehre oder in die erste Liebe einsteigen würdest.

Darüber lohnt sich zwischen Auffahrt und Pfingsten nachzudenken.


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