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AutorenbildMichael Baumann

Meditation an Karsamstag

Aktualisiert: 12. Apr. 2020

Rupert von Deutz schrieb an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert ein gewichtiges Werk über den Gottesdienst der Kirche. Dabei bemerkt er treffend zum Karsamstag, dass dieser „Sabbat nach der Nacht der tiefen Trauer“ uns im Laufe des Tages „am Nachmittag zum höchsten Glanz der Freude und zum bevorstehenden Abend jener Nacht (führt), in der die wahre Sonne Christus als Sieger aus der Unterwelt emporgestiegen ist. Jede christliche Seele harrt wachsam in gespannter Aufmerksamkeit und jauchzt im voraus, freut sich überschwänglich und jubelt: ‚Und die Nacht wird wie der Tag erleuchtet werden, und die Nacht ist meine Erleuchtung zu meiner Wonne.‘“

Damit hat der hochmittelalterliche Theologe etwas ganz Wesentliches der Liturgie und des Kirchenjahres beschrieben, das sogar noch wir kennen. Allerdings weniger von der Osterzeit, als vielmehr vom Advent und Weihnachten her: Die freudige Spannung, die sich sogar auf unsere entchristlichten und säkularisierten Zeiten zu legen pflegt, bevor ein Fest ansteht. In der Weihnachtszeit ist das am ehesten noch erfahrbar. Doch Weihnachten ist auch jünger als Ostern, und nicht zuletzt: Weihnachten ist ein fixer Termin, ist weniger komplex und anspruchsvoll, als die heiligen drei Tage, das Triduum paschalis, das zwischen Judentum und Christentum, zwischen Tod und Leben und gar zwischen den Monaten hin und her pendelt.

Der Karsamstag ist in diesen Tagen und Stunden der eigentliche Warteraum. Was militärisch tönt und zu entschlossenem Handeln ruft, meint theologisch genau dies: Dem Menschen ist nach dem Tod des Gottessohnes am Kreuz und seinem schnell vollzogenen Begräbnis in einer fremden Gruft – Jesus kam an fremden Ort zur Welt und wurde in eines Fremden Grab bestattet – alle Handlung entzogen. Die Menschheit kann nur noch warten. Karsamstag meint: Warten, auf das bestenfalls Gott handelt. Warten, auf dass gegen jede Vernunft und menschliche Erwartung erneut die Nacht zum Tage gemacht wird und göttlicher Glanz auf die Welt kommt.

Eigentlich verhält es sich chronologisch und inhaltlich genau umgekehrt zum Weihnachtsgeschehen. Eigentlich ist aber auch der Heilige Abend die etwas einfachere, beinahe plattere Kopie der Osternacht. Denn am Abend des Karsamstags zeigt sich wirklich und endgültig, dass Gott in Christus Neues schafft; dass Gott dem zeitlichen Tod als Begrenzung des irdischen Lebens die ewige Neuschöpfung, das ewige Leben in Christus entgegen stellt.

Karsamstagabend ist der erste Heilige Abend. Es ist die erste Heilige Nacht, die bezeichnenderweise etwas ganz Anderes schafft, als nur ein irdisches Geschöpf, nämlich überirdisches, überzeitliches Leben. So ist im Prinzip das „Fürchtet euch nicht!“ der Engel, die Maria, Josef und den Hirten begegnen dem „Fürchtet euch nicht!“ der Engel am Grab nach geordnet. Es war dieses erste, kleine und stille „Fürchtet euch nicht!“ das die Engel am leeren Grab in der Nacht von Samstag auf Sonntag sprachen. Es war das erste „Fürchte dich nicht!“, das Jesus zu Maria aus Magdala im Garten sagte und kurz darauf zu seinen Jüngern in Jerusalem. Das „Fürchtet euch nicht! – denn ich bin ein Gott des Lebens und nicht des Todes.“

Diese Botschaft braucht Zeit, bis sie ankommt. Sie wirkt nur, wenn zuvor nichts geschieht. Rein gar nichts. Sie ist nur glaubwürdig, wenn zuvor die Menschen nichts mehr tun können – ausser warten.

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