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  • AutorenbildMichael Baumann

Johannes 12 und die Sache mit dem Weizenkorn

Jesus sagt im Johannesevangelium:

"Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht."

Dieses Wort aus den Begegnungen Jesu nach seinem Einzug in Jerusalem hat in den letzten Jahrzehnten eine beachtliche Karriere gemacht. Da und dort wurde es vertont, künstlerisch gestaltet und hat vor allem in den protestantischen Kirchen andere Aspekte des Karfreitags und des Todes Jesu zu betonen versucht.

Das ist erstaunlich. Denn dieses Wort, das viele Experten durchaus Jesu wörtlich zutrauen, obwohl es nur bei Johannes vorkommt, ist schillernd. Denn so tröstend und einleuchten es als Bildwort ist und uns geradezu modern erscheinen mag - das Weizenkorn fällt in die Erde und gedeiht neu als Weizenpflanze und bringt viel Frucht - so eigenartig ist es auch. Und sein Platz bei Johannes in den Reden Jesu verstört den Leser. Denn nach dem scheinbar tröstenden Wort spricht dieser:

"Wer sein Leben liebt, verliert es; und wer sein Leben in dieser Welt hasst, wird es bewahren ins ewige Leben."

Wie passt das jetzt zusammen? Da das tröstende Wort Jesu, das seinem eigenen Sterben und Tod so etwas wie Sinn zu geben versucht, auf der anderen Seite der irritierende Satz, sein eigenes Leben gar nicht erst zu bewahren zu versuchen?

Der Schlüssel zum Verständnis beider Worte liegt wie häufig im Zusammenhang. Jesus ist in Jerusalem eingezogen und ist bekannt. Er ist eine Attraktion. Gerade seine Bekanntweit wird unweigerlich zum Problem werden. Doch vorerst gilt die Aufmerksamkeit seiner Popularität und die wollten sich auch gebildete griechisch sprechende Händler und Gäste in Jerusalem nicht entgehen lassen.

Es heisst kurz zuvor: "Es waren aber einige Griechen unter denen, die hinaufzogen, um am Fest teilzunehmen. Die traten nun an Philippus heran, der aus Betsaida in Galiläa war, und baten ihn: Herr, wir möchten Jesus sehen."

Die Touristen und Händler wollen Jesus sehen. Was sie sich genau erhofften und vorstellten, wissen wir nicht. Aber mit dem Begriff "Griechen" ist die grosse und weite Welt gemeint. Mit den Griechen treten nicht einfach römische Besatzer neben den Juden auf, sondern Menschen von Format und Weltläufigkeit. Nicht nur der innere jüdische Zirkel interessiert sich für diesen Jesus, sondern plötzlich auch die Welt. Die Öffentlichkeit. Doch Jesus reagiert reserviert. Man kann ihn verstehen. Einerseits gilt seine Botschaft dem Gottesvolk. Andererseits spricht er davon, dass nun die Stunde komme, in der der Menschensohn verherrlicht würde und offenbar werde vor der Welt. Grenzen werden gesprengt - die Botschaft Jesu und von Gottes Handeln dringt über den ersten Kreist der jüdischen Welt hinaus.

In diesem Zusammenhang hat das Wort vom Weizenkorn seine Bedeutungskraft. Gewiss spricht Jesus von seinem eigenen Tod und Sterben. Doch darüber hinaus geht es besonders um die Offenbarung für die Welt: Aus dem Weizenkorn entsteht ein ganzes Ährenfeld. Die Wahrheit Gottes verteilt sich in der Welt, sie breitet sich aus. Sie wird offensichtlich.

Das war eine Sprache und eine Weltsicht, die gerade auch die Griechen verstanden. Der geistige Same, der gestreut wird, ist hellenistische Philosophie. Wenn Johannes in seinem Evangelium vom Logos, vom Wort spricht, so meint er das Wort, das in die Welt hinaus geht und Menschen verändert.

Jesu Sterben und seine Auferstehung als Gottessohn soll - so Johannes, der die hellenistische griechische Philosophie wie kein anderer biblischer Autor kannte und verstand - die Welt als Botschaft verändern. Und dazu gehört auch die Gegenthese, dass das sich Klammern an der vorfindlichen Welt kaum Rettung sein kann. Versprochen ist dem Christen das ewige Leben und Zeuge dafür ist die Auferstehung Jesu.

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